Nach herrlich ruhiger Nacht frühstücken wir bei Dimitri. Vorher war ein Mann der Hafenpolizei da – das Büro im Haus am Hafen ist verkauft, man muss jetzt nach oben in die Altstadt – und will nur die üblichen Bootsangaben. Zahlen brauchen wir nichts für nur eine Nacht!
Dann Abschied, leider, aber für die nächsten Tage sind hohe Windstärken angesagt, die wir lieber in der sicheren Marina Mytlini verbringen wollen.
Um 10.30 legen wir ab. Als wir um die Ecke des Kaps kommen, trauen wir unseren Augen kaum: Gischt, hohe Wellen und Wind von ca. 4 Bft gegen uns!!! Was ist los mit den Wettervorhersagen??? Wir bekommen mehrere Wellen ganz über und müssen unter Motor kreuzen. Wie gut, dass wir direkt nach der Hafenausfahrt das Groß gesetzt haben! Dieser Kampf dauert genau bis zum östlichen Kap an. Wir benötigen für diese Strecke genau die doppelte Zeit wie sonst üblich. Auf dem Kurs nach Süd beruhigt sich alles wieder, und es geht dann endlich auf die Zielgerade, die sich allerdings noch ziemlich lange hinzieht. Gegen 17.30 laufen wir in die Marina ein, wo uns die Hafenjungs beim Anlegen helfen. Wir stellen fest, dass der Hafen um einiges voller geworden ist. Aber wir bekommen eine gute Box am C-Steiger. White Satin bekommt als allererstes eine Süßwasserdusche. Überall befinden sich ja Salzkrusten.
Dann machen wir uns fertig zum kleinen Promenadengang. Wir stellen fest, dass alles noch so ist, wie wir es kennen. Alles ist noch so dreckig wie vorher, die Hauptstraße vor der Marina ist noch genauso laut, stinkig und gefährlich wie vorher, die alten Häuser sind noch genauso verfallen wie vorher und die prächtigen Villen sind noch genauso prachtvoll wie vorher! Nur unser kleines Restaurant mit der Dachterrasse ist verkauft und ein weiteres hat einen Terrassen-Neubau fertiggestellt. Aber wir waren ja auch nur EIN Jahr weg!
Natürlich geht’s zum Abendessen in den Club, der wie immer übervoll und laut ist. Und wie immer essen wir auch superlecker!Die neuen Bedienungen sind nicht mehr ganz so sexy und auf Zack, aber egal – wir sind angekommen in unserem alten zweiten Heimathafen. Jetzt kann der Sturm kommen
Und der kommt! Und wie!
Wir bleiben insgesamt 4 Tage in unserem lebhaften, immer noch von uns geliebten Mytilini. Der Südweststurm lässt denn auch Mast und die Wanten pfeifen, so dass Oropax angesagt ist. Es fällt sogar der ein oder andere heftige Schauer. Tagsüber waschen wir, verproviantieren wir uns, holen Diesel von der Tankstelle und machen das Boot von innen gründlich sauber. Am zweiten Tag gehen wir den Empfehlungen von Anastasia aus dem Marinaoffice nach: im Gespräch über die unsinnige Flüchtlingspolitik auf Lesbos – man hat ihnen ein millionenschweres Flüchtlingslager mitten in die Knüste gesetzt, das einem Gefängnis nicht unähnlich ist, anstatt sie in die Stadt mit deren Bewohner zu integrieren – erwähnt Anastasia die alten Flüchtlingsquartiere aus der Zeit des Bevölkerungsaustauschs von Griechen und Türken gegenüber der Festung, wo man kleine, aber wenigstens feste Häuser für sie gebaut hat. Wir können die kleinen Butzen noch gut ausmachen, aber vor allem entdecken wir auf diesem Gang eine der ältesten Lokale aus dieser Zeit, das Hermes, das der Urgroßvater der heutigen Wirtin aus Kleinasien kommend dem türkischen Besitzer abkaufte, und das noch heute von den Nachkommen geführt wird. Es mutet uns fast wie ein Museum an mit den alten Bildern, Spiegeln in geschnitzten Holzrahmen, uralten Fotos und vielen überall verteilten Antiquitäten. Auf dem Rückweg entdecken wir vorm Stadttheater Fahnen, auf denen ein Filmfestival der Ägäis (AegeanDocs) von internationalen Dokumentarfilmen angekündigt wird. Leider stimmen die angekündigten Daten vorne und hinten nicht, so dass wir vor verschlossenen Türen stehen. Doch wie wir dann im Internet sehen, gibt es auf fast den meisten größeren ägäischen Inseln Vorführungen in den nächsten Tagen.
UND: Den zweiten Tag widmen wir auch der Reparatur unseres immer noch undichten Dingi-Bodens. Wir nehmen uns viel Zeit, die Bedienungsanleitung für das Kleben des Flickens zu studieren. Unter Gundels Schirmherrschaft (WDs letzte Versuche waren leider fehlgeschlagen) wird die Reinigung vorgenommen, dann der Kleber mit 6% Aktivator (wie bitteschön soll man auf drei Teelöffel Kleber 6% abmessen???) gemischt und dann in zwei Schritten das Leck (hoffentlich) zugeklebt: zunächst den Schutzflicken für das Ventil, der sich gelöst hatte, bearbeitet: Kleber aufbringen – 15 Min trocknen – aufbringen – trocknen und dann mit Föhn heiß machen und dann zukleben. Nun 72 Std härten lassen. Dieselbe Prozedur wird dann am letzten Tag vor unserer Abfahrt mit einem neuen Flicken über den ganzen Klebestellen vorgenommen. Puh, da läuft so mancher Schweißtropfen. Auch gibt’s so manche Uneinigkeit im Klebeteam, wie man am besten vorgeht. Egal, das Ding ist aufgeklebt. Jetzt ab in den Keller zum trocknen. Die Zukunft wird’s zeigen, ob wir diesmal erfolgreich waren!
Am Abend darauf gehen wir ebenfalls Anastasias Empfehlung nach und essen in einem von Flüchtlingen geführten Restaurant, das Nan, das quasi in der zweiten Straßenreihe am Fährhafen liegt. Nicht gerade romantisch, aber alternativ! Es gibt vegetarische Moussaka und Falafel-Wraps. Überhaupt scheint es, dass dies die Gegend der alternativen Szene Mytilinis ist.
Leider hat unsere Veto-Ouzo Destillerie trotz anderslautenden Öffnungszeiten zu, so dass wir unseren Ouzo beim Kellari in Marinanähe kaufen.
Den letzten Abend verbringen wir noch einmal im Clubrestaurant. Wir essen köstlichen Salat und noch einmal die Linguine mit Meeresfrüchten. Wer hätte das gedacht, dass wir solch erhebende kulinarische Erfahrungen wie in den letzten Wochen hier in Griechenland machen würden…
Irgendwann ist dann auch dieser Sturm vorbei, und so verabschieden wir uns am letzten strahlenden Morgen mit dem Ziel im Golf von Geras zu ankern, um am Folgetag nach Chios überzusetzen.